Meldung

Segelflieger bei YourSky

Im Juli (2021) waren neun Mitglieder aus zwei Bremer Segelflugvereinen bei uns und haben einen Sprung aus dem Flieger gewagt. Es war ein großartiges Wochenende mit einer Menge Spaß! Nachfolgend findet ihr den Bericht einer Teilnehmerin. Viel Spaß beim Lesen :)

 

 

Was haben Bananen und ein kackender Fuchs mit dem Luftsport zu tun?

Alles fing damit an, dass der Landesverband Bremen seinen Mitgliedern ein „Notabsprungseminar“ angeboten hat. Hier ein Auszug aus der E-Mail von Detlev: „… jede Segelflugpilotin und jeder Segelflugpilot steigt ins Flugzeug und legt einen Rettungsfallschirm an… Aber wie funktioniert die Praxis? Was ist, wenn ich ihn benutzen muss? … Ich biete an, dass wir vom Landesverband ein Seminar veranstalten. … Dieses Seminar würde Freitags am späten Nachmittag beginnen und am Sonntag mit einem Fallschirmsprung aus ca. 4.000m enden…. Keine Angst. …“

Als erstes habe ich die E-Mail erstmal ignoriert, weil es klingt zwar interessant, aber wann muss man denn schon mal raus springen… Ein paar Wochen später habe ich mir dann aber gedacht, dass es vielleicht gar nicht so eine dumme Idee ist, im Ernstfall schnell handeln und sich orientieren zu können. Ich war mir allerdings bis zum Schluss nicht sicher, ob ich tatsächlich aus einem intakten Flugzeug springen möchte.

Am Freitagnachmittag ging es voller Neugier und bei bestem Wetter zum Flugplatz Ganderkesee, auf dem die Fallschirmspringer von YourSky zuhause sind. Wir waren neun Teilnehmer aus zwei Bremer Segelflugvereinen (Airbus Segelfluggruppe Bremen e.V. und der Bremer Verein für Luftfahrt e.V. – Segelfluggruppe). Vom Alter waren wir bunt gemischt und auch von den fliegerischen Vorkenntnissen vom Flugschüler bis zur Fluglehrerin war alles dabei. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es auch gleich mit dem Papierkram, einer Sicherheitseinweisung und dem ersten Theorieteil weiter. Uns wurde erklärt, aus welchen Teilen ein Fallschirm besteht und wie er aufgebaut ist. Ein Rundgang über den Flugplatz, bei dem wir den Springern beim Landen zugeguckt und die Springermaschine Pilatus Porter besichtig haben, war natürlich auch mit drin. Ich liege glaube ich nicht falsch, wenn ich behaupte, dass uns allen in diesem Moment das gleiche durch den Kopf gegangen ist: „Übermorgen sollen wir aus dem Flugzeug springen und selber den Fallschirm landen?“

Weiter ging es im Programm mit einer bunten Mischung aus Präsentation, Lehrvideos und praktischen Übungen wie z.B. dem Üben der Freifallhaltung. Bei der Freifallhaltung wird ein Hohlkreuz gemacht, der Kopf in den Nacken gelegt, die Arme im rechten Winkel (Box) neben den Kopf gehalten, die Unterschenkel leicht angewinkelt sowie die Zehenspitzen zum Himmel gestreckt. Dabei ist die Hüfte der tiefste Punkt. Kurz gesagt, wir sollten eine Banane machen. Nachdem die Freifallhaltung sowohl im Stehen als auch auf dem „Teller“ (einen runden Bock mit Rollen darunter) ausgiebig geübt wurde (bis zum Erschlaffen der Bauchmuskulatur) ging es weiter mit dem Ausstiegstraining. Dazu ist eine Flugzeugattrappe zum Einsatz gekommen. Man bekommt von seinem Sprunglehrer die Aufforderung „in die Tür“. Dabei hält man sich mit der linken Hand am Türrahmen fest, die rechte Hand umfasst das eigene Handgelenk, stellt die Füße leicht versetzt hintereinander auf das Trittbrett (von Olaf auch liebevoll „der kackende Fuchs“ genannt), schaut den innen hockenden Lehrer an und sagt „Check in“, wartet das Ok ab, schaut den außen am Flugzeug stehenden Lehrer an und sagt „Check out“ und wartet wieder das Ok ab. Anschließend schaut man nach vorne und sagt „Propeller“, hebt die Hüfte, senkt sie ab und springt raus. Olafs Frage in die Runde: „Was macht ihr, wenn ihr raus springt?“ die prompte Antwort lautete: „ BANANE“. Olaf grinst und lässt uns alle den Ausstieg (samt kackendem Fuchs) an der Flugzeugattrappe üben.

Als nächstes verteilt Olaf an jeden einen Overall und einen Helm. Es wird der Landefall geübt. Anfangs sollen wir nur springen und uns dann abrollen. Olaf legt eine sehr elegante Abrollübung hin (das sieht ja nicht so schwer aus) und wir versuchen einer nach dem anderen es nach zu machen. Der eine mehr wie ein gestrandeter Maikäfer auf dem Rücken, der andere halbwegs elegant aber Olaf bleibt ungeschlagen (… es ist also doch nicht so einfach…). Nachdem wir alle 2-3 mal den Landefall aus niedriger Höhe getestet haben, kommt jetzt noch ein Stuhl zum Einsatz. Olaf legt wieder vor! Als ich an der Reihe bin und mit wackeligen Beinen auf den Stuhl klettere, stelle ich mir insgeheim die Frage: du willst aus 4.000m aus einem Flugzeug springen und hast jetzt schon Schiss von so einem popeligen Gartenstuhl zu hüpfen? Na das kann ja was werden. Aber alle haben es irgendwann zu Olafs Zufriedenheit hinbekommen sich einigermaßen abzurollen, so dass wir gegen 21Uhr dann Feierabend machen konnten.

Am Samstag ging es dann weiter mit Verhalten in besonderen Fällen. Wann sollte man den Hauptschirm abtrennen und die Reserve ziehen? Was ist die Entscheidungshöhe für welche Aktion? So trichtert uns Olaf gebetsmühlenartig ein, dass 500m die Grenze ist, unter der man den Hauptschirm nicht mehr abtrennt, sondern nur noch die Reserve dazu zieht. Über 500m wird der Hauptschirm auch nur dann abgetrennt, wenn man die Situation als ausweglos einschätzt. Z.B. wenn der Schirm sich so in den Leinen verfangen hat, dass er sich nicht entfalten kann. Wenn der Schirm jedoch nur leicht verdreht ist, kann man sich in der Regel ausdrehen und normal weiter fliegen.

Nach dem Theorieblock geht es wieder auf den Teller und der Flugablauf wird geprobt. Also von Anfang an: „in die Tür“ – „check in“ – ok – „check out“ – ok – „Propeller” – hoch, runter, raus, BANANE, Höhenmesser ablesen. Durchsage der Höhe an den Lehrer links – ok abwarten, Durchsage der Höhe an den Lehrer rechts – ok abwarten, 3 mal Scheingriffe mit Ausgleichsbewegung, danach wieder die Höhe checken und anschließend „Freizeit“.  Zwischendurch immer mal wieder auf den Höhenmesser gucken und ab 2.000m kontinuierlich den Höhenmesser beobachten. Bei 1.800m wird mit dem Kopf geschüttelt (no more work), bei 1.600m wird abgewunken und der Hilfsschirm gezogen. Danach wird gezählt „1.000, 2.000, 3.000, 4.000 – Kappen check“. Der kappen check beinhaltet, ob die Kappe rechteckig ist, ob der Slider (kleines Stofftuch, welches eine sanfte Öffnung des Schrims bewirkt) ganz unten ist und ob der Schirm geradeaus fliegt. So langsam merke auch ich meine Bauchmuskeln, aber Ende ist erst, wenn Olaf das Ok gibt.

Nach einer Mittagspause geht es mit einem theoretischen Test u.A. zu den Notverfahren und grundlegenden Dingen wie der Freifallhaltung weiter, bevor wir dann in der Fallschirmpackhalle in einem ausgemusterten Gurtzeug an die Decke gezogen werden, um den Sprungablauf in einer kleinen „praktischen Prüfung“ durchzugehen. Olaf hat ein paar Bilder in der Hand, die er uns über den Kopf hält, nachdem wir den „Hilfsschirm“ gezogen und bis 4.000 gezählt haben. Mal ist es eine intakte Kappe, mal eine Notsituation. Wir müssen 3-4 solcher „Sprünge“ korrekt absolvieren, bevor wir für den Absprung am Sonntag freigegeben werden. Während wir unsere Tests absolvieren, wuselt es um uns herum. Fallschirme in allen Größen (vom Tandem bis zum Sportschirm) werden um uns herum gepackt, da muss man ganz schön aufpassen wohin man tritt. Wir bewundern die Schnelligkeit wie die SpringerInnen die Stoffbahnen bezwingen und in Windeseile zu einem kleinen Bündel verpacken und in ihren „Rucksack“ stecken. Bei den Temperaturen ein echter Knochenjob! Am Ende des Samstags haben dann alle ihre Bestätigung, dass sie am Sonntag springen dürfen.

Sonntag, der Tag der Tage! Ich bin mit einer nicht ganz geringen Portion von Respekt und leichter Angst am Flugplatz angekommen. Gut schlafen konnte ich die Nacht auch nicht, da mir die ganze Zeit der Sprungablauf durch den Kopf gegangen ist und was passiert, wenn ich eine Fehlöffnung habe usw. Egal, wir werden mit Overalls versorgt, die an den Armen und Beinen Bereiche zum Festhalten haben. Außerdem bekommen wir noch einen Helm, eine Brille, einen Höhenmesser und natürlich einen Fallschirm zugewiesen. Anschließend geht es zum Landebriefing an einer Tafel und danach raus den Windsack angucken. Ok, die Platzrunde ist echt mini… 500m ist die Höhe, in der man sich zur Landung entschließt. 300m ist man querab vom Aufsetzpunkt (Gegenanflug oder Position), in 200-150m wird der Queranflug geflogen und in spätestens 100m wird in den Endanflug gedreht. Wir sollen bei der Landung durch einen weiteren Lehrer herunter gesprochen werden, d.h. er wird uns sagen, wann wir die Steuerleinen auf Höhe der Augen, der Schulter und wann ganz nach unten zur Hüfte gezogen haben sollen, um sanft zu landen. Und schon gehen die ersten beiden unserer Gruppe in die Luft. Olaf hat je zwei Lehrerteams zusammengestellt. Die Lehrerteams bilden Olaf und Torsten und das 2. Lehrerteam bestand aus Jan-Claas (JC) und Verena. Alle sind super motiviert und freuen sich auf den 1. Sprung der Segelflieger. In der Porter werden nun die Level I-Springer (wir), Schüler die nur noch einen Sprungauftrag benötigen und Lizenzspringer unter- und auf 4.000m gebracht. Dann „fallen“ der Reihe nach alle Springer aus der Maschine, bis nur noch wir mit unseren Lehrern übrig bleiben. Die Lehrer greifen beherzt in das Gurtzeug (so jetzt kommt man nicht mehr weg), man klettert in die Tür (und ich denke mir, was zum Teufel mache ich hier eigentlich?) „Check in“-ok, „Check out“-ok, „Propeller“ hoch-runter-raus. Freifall! BANANE und Höhe geht es mir durch den Kopf, verdammt ist das windig hier und wie soll ich eigentlich atmen? Ach ja, Höhe durchsagen, Übungen machen, ohhhh die Erde kommt immer näher… Dann sind auch schon 2.000m erreicht. 1.800m – no more work, 1.600m ziehen, ohhh der Schirm öffnet sich (ach verdammt, ich sollte ja bis 4.000 zählen) naja, der Schirm ist jedenfalls so wie er sein soll, Höhe checken und orientieren. Die Schirmfahrt ist echt super! Großartige Strecken kann man mit einer Gleitzahl von 1:Plums allerdings nicht machen, also übe ich den Schirm zu lenken und das Flairen (Bremsen). Naja, klappt ja ganz gut, also dann, Höhe ist 500m, ab zur Position und Landeeinteilung. Irgendwie bekomme ich die Höhe nicht so wie geplant weg, so dass ich über Funk jede Menge Ansagen bekomme… Nach einer gefühlten Ewigkeit darf ich in den Endteil drehen und auf das Landefeld zusteuern. Die Nervosität steigt, denn ich steuere prompt auf den Windsack (das einzige Hindernis außer dem Mais) zu, das Ausweichen klappt ganz knapp und ich bin etwas überrumpelt, wie schnell die Erde mich dann doch wieder hat. Ein paar von uns landen im Maisfeld, was aber nicht dramatisch ist, da Olaf das vorher schon prognostiziert hat.

Schlussendlich haben sich alle Teilnehmer den Sprung ins Ungewisse gewagt und sind mit ca. 50m/s im Freifall dem Erdboden entgegen gerast. Ich denke, wir können alle stolz auf uns sein, dass wir unsere persönlichen Grenzen erweitert oder sogar überschritten haben.

Der Lehrgang hat uns allen viel Spaß gemacht. Trotz der vielen, Dinge die man sich merken musste und den körperlich anstrengenden Übungen. Es hat sich alle Mal gelohnt und ich würde es jedem (Segel)Flieger empfehlen, einen Sprung zu machen um im Notfall zu wissen, was zu tun ist.

Zum Schluss möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich für das tolle Wochenende bedanken. Ein ganz besonderer Dank geht dabei an die Sprungschule YourSky mit Steffen, Olaf, Verena, JC und Torsten, die uns ein unvergessliches Wochenende beschert haben.
Natürlich gebührt der Dank auch Detlev und Tim, die das ganze erst ins Rollen gebracht haben.

Fotos: 1-8, Ilona Rühenbeck
Foto: 9, Ausschnitt aus dem Sprungvideo von Verena Jürgens
Foto: 10, Olaf Wackhusen

Teilnehmer des Kurses:
BVL-Segelfluggruppe: ASFG Bremen
Ilsa, Marie, Maximilian, Jens, Michael Minea, Ilona, Oliver, Matthias

 

 

Abbildung 1: Besichtigung Pilatus Porter

Abbildung 2: Fallschirmkunde

Abbildung 3: "der kackende Fuchs"

Abbildung 4: Freifallhaltung

Abbildung 5: Landefall üben

Abbildung 6: kompletter Durchgang auf dem Teller

Abbildung 7: Hängetrainer

Abbildung 8: Sprungausrüstung

Abbildung 9: AFF Level I

Abbildung 10: Die Segelflieger